Geschichte
einer Handaufzucht
Im Jahr 2001
habe ich erstmals einen Graupapageien per Hand aufgezogen. Ich möchte
hier über den Verlauf und die Gründe berichten, die dazu geführt
haben. Aus der Vorgeschichte meines Erstvogels wird vielleicht nachvollziehbar,
warum ich diesen Weg gewählt habe.
Mein vorhandener
Grauer ist eine Naturbrut, sehr ängstlich, schreckhaft und überaus
schüchtern. Mit 3,5 Monaten habe ich ihn futterfest bekommen und
zwei Jahre lang hat er mich blutig gebissen, was der Schnabel hergibt.
Ich konnte ihm das Sprechen beibringen, ihn füttern und den Käfig
saubermachen - das war es dann auch schon. Auf die Hand kam er, damit
er abends in seinen Käfig konnte. Aber das war oftmals mit massiven
und äußerst schmerzhaften Bissen verbunden, mehr aus Angst
als aus Aggressivität. Zu meinem Mann hingegen war er von Anfang
an lieb. Ich vermutete, es könnte damit zusammenhängen, dass
der Züchter ebenfalls ein Mann war. Dieser hatte erwähnt,
seine Erfahrung sei, dass die jungen Papageien dem Geschlecht mehr zugetan
seien, von dem sie die letzten 14 Tage vor der Abgabe handzahm gemacht
worden sind. Er empfahl zu warten und einen Vogel zu nehmen, den seine
Frau handzahm gemacht hat. Das mochte ich damals aber nicht so recht
glauben.
Ich gewann den Grauen trotz dieser Umstände sehr lieb und konnte
ihm nie richtig böse sein. Im Laufe der Zeit fand ich mich damit
ab, dass der Graue mich eben offensichtlich nicht so gerne mochte, wie
ich mir das erhofft hatte. Vor der Erstanschaffung hatte ich gelesen,
das so etwas bei Papageien vorkommen kann. Ihn deshalb wieder abzugeben,
kam mir nie in den Sinn.
Nach über 2 Jahren geschah, womit ich gar nicht mehr gerechnet
hatte: Der Graue ließ sich streicheln und bekuscheln und war sehr
zutraulich. Offenbar mochte er mich von da an, nur mochte er meinen
Mann seitdem nicht mehr so gerne. Ängstlich und schreckhaft ist
er bis heute geblieben.
Ganz so plötzlich kam diese Wendung allerdings nicht, genau zu
dieser Zeit war es erforderlich, seinen Schnabel etwas kürzen zu
lassen. Als er mich danach wieder heftig beißen wollte, bemerkte
ich, dass es ohne die Schnabelspitze gar nicht mehr so weh tat und war
dann mutiger im Umgang mit ihm. Der Graue seinerseits bemerkte, dass
er mich nicht mehr beeindrucken konnte und hörte auf zu beißen.
Heute bin ich
fest davon überzeugt, das dies ausschlaggebend für seinen
Verhaltensumschwung war. Der Graue war nun nicht mehr "Chef im
Ring"´. Seine massiven Beißattacken ergaben sich aus
der Rangordnung, die er gleich am Anfang aufgestellt hatte und nicht
ich. Mein ängstliches Verhalten und viele Verständigungsfehler
zwischen Papagei und unerfahrenem Papageienbesitzer kamen noch hinzu.
Zurückblickend sind das für mich die tatsächlichen Ursachen
für das schwierige Miteinander der ersten Jahre.
Anfang 2000
beschäftigte ich mich intensiv mit dem Gedanken, einen 2. Graupapageien
für meinen damals 3,5 Jahre alten Grauen anzuschaffen. Zu diesem
Zeitpunkt hatte ich den Eindruck, dass mein Grauer sich einsam fühlte,
trotzdem ich mich sehr viel mit ihm beschäftigte und er die Gesellschaft
unseres Beos genoss. Diese ist sicher nicht artgleich und kein Ersatz,
aber die beiden mochten sich und der Graue war nicht völlig alleine.
Er wurde überaus anhänglich und ich bemerkte, dass ich einfach
nicht in der Lage war, 24 Stunden am Tag nur für ihn da zu sein,
hatte aber den Eindruck, dass er eigentlich genau das gerne gehabt hätte.
Ich habe lange gegrübelt, ob die Anschaffung eines 2. Papageien
eine wirklich gute Idee ist oder mein Grauer dann wieder anfangen würde
mich zu beißen. Das war meine größte Angst. Die Beziehung
mit meinem Grauen, die sich so perfekt und positiv entwickelt hatte,
wollte ich keinesfalls gefährden. Ich hatte irgendwo gelesen, das
so etwas passieren könnte. Genauso hatte ich gelesen, das der Graue
dann nicht mehr spricht, was mir aber nicht so wichtig erschien, nur
schade. Und er könnte dann zum Rupfer werden, wo er doch nie gerupft
hat. Gerade bei Grauen ist das Rupfen verbreitet und ich war heilfroh,
keinen Rupfer zu haben. Das alles musste ich abwägen, aber wenn
ich mir meinen Grauen so ansah, war das Mitleid viel größer.
Durch seine Überanhänglichkeit brachte er für mich seine
Einsamkeit zum Ausdruck, gerupft hat er nie. Aber es tat mir weh, ihn
so um jede noch so kleine Aufmerksamkeit betteln zu sehen.
Das erschien mir schlimmer, als alle negativen Eventualitäten,
die mit der Anschaffung eines 2. Papageien verbunden sein könnten.
Worüber ich nachdachte war der allerschlimmste Fall, das beide
gar nicht miteinander auskommen, der Alte rupft und beide nicht in einem
Raum leben können. Sollte ich in diesem Fall den 2. Grauen wieder
an den Züchter geben? Das kann man vereinbaren, aber würde
ich das auch tun? Eine Vergesellschaftung kann sich ja durchaus lange
hinziehen. Viele meinen, es ist für alle besser, einen Vogel dann
wieder zum Züchter zu geben und einen passenden Partner für
den vorhandenen Vogel zu finden. Bei uns verlassen Tiere das Haus grundsätzlich
nur mit den Füßen voran. Der Züchter meinte, er nähme
den Vogel auch nach einer langen Zeit zurück und würde ihn
dann bei sich behalten. Diese Möglichkeit wollte ich mir sicherheitshalber
offen lassen, aber wir hatten das nie in Erwägung gezogen. Mit
diesen vielen negativen Möglichkeiten erschien mir die Anschaffung
eines zweiten Grauen insgesamt recht waghalsig. Ich sah aber keine andere
Alternative.
Zuerst hieß
es, meinen Mann zu überzeugen, dass wir nun unbedingt einen 2.
Papagei benötigten, was dieser völlig anders sah, aber schließlich
erklärte er sich nach längerer Zeit einverstanden. Die Anschaffung
war für den Spätsommer 2001 geplant, nach Abschluss unseres
Hausumbaus.
Von einem Bekannten hatte ich die Anschrift eines Züchters in meiner
Nähe, der seit über 30 Jahren Graupapageien züchtet und
diese seit kurzer Zeit sehr jung abgibt, damit man sie selbst per Hand
aufziehen kann. Weitere Optionen waren, zu meinem alten Züchter
zu gehen oder einen ganz anderen zu wählen.
Zuerst ließ
ich bei meinem Grauen einen DNA-Test machen um das Geschlecht festzustellen.
Es war ein männliches Tier. Dann telefonierte ich im Herbst 2000
mit dem Züchter, der die Grauen zur Handaufzucht abgibt. Dieser
machte auf mich einen sehr freundlichen, aufgeschlossenen Eindruck und
erklärte mir die Vorteile eines selbstaufgezogenen Papageien aus
seiner Sicht. Er würde jederzeit telefonisch und auch persönlich
behilflich sein und alles genauestens erklären. So eine Handaufzucht
wäre keine große Sache, meinte er. Dafür sein ein solcher
Vogel aber viel leichter mit einem Älteren zu vergesellschaften,
da dieser ihn als eine Art Baby annehmen und leichter akzeptieren würde.
Diese Jungvögel wären dann auch nicht auf den Züchter
geprägt, so fiele das massive Beißen aus. Diese Erfahrung
hatte er auch bei vielen Käufern seiner Papageien gemacht. Weiterhin
wären sie viel zahmer und zutraulicher als Naturbruten.
Der Züchter gefiel mir und so dachte ich über eine solche
Handaufzucht nach. Wir verblieben, im Sommer 2001 nochmals miteinander
zu telefonieren und der Züchter bot mir an, schon vorher einfach
vorbeizukommen und mir alles anzusehen. Das wäre seinerseits auch
erwünscht, auch das gefiel mir sehr gut
Weiterhin begann ich, mich bei Bekannten, meinem Tierarzt und in den
Papageienforen des Internet über all meine Fragen zu informieren.
Kann man einen schon etwas älteren Grauen noch gut vergesellschaften?
Was passiert, wenn sich beide nicht mögen? Nehme ich ein gleich-
oder gegengeschlechtliches Tier und wo liegen die Vor- oder Nachteile?
Wie zieht man einen Papageien per Hand auf? Traue ich mir das zu? Es
ergaben sich noch sehr viel mehr Fragen, soviel sei gesagt. Ich habe
auch alles gelesen, was ich irgendwie bekommen konnte. Mittlerweile
war es dann 2001 und ich war genauso klug wie im Jahr zuvor. Jeder hatte
andere Erfahrungen gemacht und jede Variante konnte gut als auch schlecht
sein. Eine feste Regel schien es tatsächlich nicht zu geben. Sehr
alte Papageien konnten vergesellschaftet werden oder auch nicht, ebenso
Jüngere gut oder weniger gut und das gleiche galt auch für
gleich- bzw. gegengeschlechtliche Vögel.
Glücklicherweise bin ich nach langer Suche 2001 dann auf unseren
Papageienstammtisch gestoßen. Auch hier erkundigte ich mich bei
einigen Mitgliedern ausgiebig nach deren Erfahrungen zum Thema Vergesellschaftung,
mit ungefähr demselben Ergebnis.
Ich hatte auch herausgefunden, dass es Bücher über die Handaufzucht
von Papageien gibt und wollte mir diese bestellen. Thomas B. von unserem
Stammtisch bot aber glücklicherweise ganz selbstverständlich
an, mir diese doch recht teuren Bücher leihweise zur Verfügung
zu stellen. Das fand ich überaus nett, denn zu diesem Zeitpunkt
war ich noch nicht lange beim Stammtisch dabei.
Diese Bücher habe ich dann intensiv gelesen und festgestellt, dass
es nicht ganz so einfach sein würde mit der Handaufzucht, wie der
Züchter am Telefon gesagt hatte. Ganz im Gegenteil, es gab viele
Risikofaktoren, erschien extrem aufwendig und auch kostenintensiv. Als
ich las, was alles bei der Handaufzucht schief gehen konnte, wurde mir
ehrlich gesagt Angst und Bange. Soviel war mir also zu diesem Zeitpunkt
bewusst.
Nun
begann ich, zu entscheiden, was ich eigentlich wollte.
Die Vorstellung mich nochmals evtl. eine lange Zeit lang blutig beißen
zu lassen, fand ich überaus abschreckend und genau aus diesem Grunde
hatte ich in den ersten Jahren nicht in Erwägung gezogen, noch
einen Papagei anzuschaffen. Ich war mit dem einen vollauf bedient. Die
Wahrscheinlichkeit, dass mich ein von mir handaufgezogener Papagei nicht
beißen würde, gefiel mir außerordentlich gut und dies
war dann letztendlich ausschlaggebend für meine Entscheidung einen
Papageien selbst per Hand aufzuziehen..
Ein Haken war, dass bei diesem dann sehr jungem Papagei vorher keine
Geschlechtsbestimmung vom Züchter aus durchgeführt wurde.
Darüber grübelte ich lange nach. Ich befand, dass ich ganz
sicher keinen eigenen Papageien-Nachwuchs haben wollte und es eigentlich
egal sei, ob gleich- oder gegengeschlechtlich. Bei beiden Varianten
bestand die Möglichkeit, dass sie sich verstehen oder auch nicht.
Bekannt war mir, dass sich zwei weibliche Vögel eher schlechter
verstehen, aber da mein Grauer ein männliches Tier war, schied
diese ungünstige Möglichkeit aus. Nicole von unserem Stammtisch
brachte das einleuchtende Argument, dass sich gegengeschlechtliche Papageien
eher verstehen würden, da die meisten Papageien eben nicht "schwul"
seien. Die Vergesellschaftung wäre schon schwierig genug, da die
Vögel ja nicht wie in der Natur eine freie Partnerauswahl treffen
könnten.
Nachdem ich über alle Argumente und Möglichkeiten lange nachgedacht
hatte und für mich selbst zu keinem rechten Ergebnis kam, überzeugte
mich die verlockende Aussicht nicht gebissen zu werden. Ich entschied,
es mit der Handaufzucht zu probieren und dieses große Risiko einzugehen.
Dass ich ganztägig zu Hause bin, möchte ich hier auch erwähnen,
denn mir war völlig bewusst, dass die Handaufzucht sehr viel Zeit
in Anspruch nehmen würde. Müsste man auch noch arbeiten gehen,
ließe sich das kaum bewerkstelligen.
Der Züchter hatte sich im Juli 2001 wie verabredet gemeldet und
mir erneut angeboten, vorbeizukommen und mir alles anzusehen. Ich könne
von ihm aus so oft als möglich gucken kommen. Er würde mir
ganz genau das Füttern zeigen und alles erklären, worauf zu
achten wäre. So fuhr ich also Anfang August 2001 zu dem Züchter
und sah mir die damals 14 Tage alten Graupapageien an, die im Brutkasten
waren. Der Züchter hatte eine riesige Außenanlage mit unglaublich
großen Volieren, in denen sich drei Pärchen Graupapageien,
mit denen er züchtet und einige von ihm rein privat gehaltene andere
Papageienarten befanden. Alles war wunderschön für die Vögel
angelegt, sehr sauber und gepflegt.
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Etwas bange wurde mir ja doch, als ich dann sah WIE klein die Papageien
noch waren (in den Büchern über Handaufzucht gab es ja schon
Bilder, aber wenn man die Vögel dann tatsächlich vor sich
sieht, ist es doch etwas anderes). Eigentlich waren sie nach meinem
Empfinden ausgesprochen hässlich, mit geschlossenen Augen, ohne
Federn, aber auch sehr anrührend. So fuhr ich dann jede Woche die
kleinen Papageienbabys besuchen. Drei waren es, zwei Geschwister und
ein um eine Woche jüngerer Vogel von anderen Eltern. In der Zwischenzeit
versuchte ich, mich noch besser zu informieren, um bestens vorbereitet
zu sein, wenn der Graue dann zu mir nach Hause kam.
Und ich überlegte, für welchen der Drei ich mich entscheiden
sollte. Der jüngste Vogel schied aus, da ich mir errechnete, dass
dieser im Oktober vielleicht noch nicht futterfest wäre. Ich wusste
nicht, ob ich im Oktober noch immer so viel Zeit haben würde. Also
blieben die Geschwister, davon schied der dickere aus, weil der mich
immer anfauchte. So nahm ich die goldene Mitte. Ein sehr aufgeweckter
Vogel, der ständig brabbelte, quietschte und recht hibbelig war.
Ich durfte die Vögel auch vorsichtig streicheln. Beim Beringen
war dann der Tag gekommen, als ich "meinen" Papagei auch festhalten
musste, er war noch so klein und empfindlich, das war sehr aufregend.
Zu Hause traf ich alle notwendigen Vorbereitungen:
Der Züchter sagte, ein richtiger Käfig käme noch nicht
in Frage, also verkleidete ich meinen Transportkäfig (H 50, B 35,
T 40 cm) ringsum mit Pappe, da der Graue keinesfalls klettern durfte
oder irgendwie fallen. Normalerweise sind die Grauen bis zur 10. Woche
im Nest. Ich bestellte erst einmal 30 Spritzkanülen a 50ml in der
Apotheke, was nicht ganz einfach war. Ich musste dort viele Fragen beantworten,
was ich damit eigentlich anfangen wolle. Bis ich beim Nachbestellen
von Kanülen die ersten Fotos des Babypapageien zeigte, hat man
mir ganz sicher kein Wort geglaubt. Die Kanülen mussten dann jeweils
nach Bedarf gekürzt werden, damit sie steril blieben und der feste
Brei überhaupt durchpasste. Man musste sie abfeilen, damit sie
nicht scharfkantig sind, um Verletzungen des Vogels zu vermeiden.
Weiterhin kaufte ich eine Digitalwaage, damit ich täglich das Gewicht
des Kleinen genau bestimmen konnte und legte ein Heft an, wo ich alles
Erforderliche aufzeichnen konnte.
Ich bestellte Aufzuchtbrei für Papageien, Laktobazillen und Mineralpulver,
kaufte Hipp- Obstgläschen und Karottensaft, um damit den Brei zu
vermischen. Das hatte mir Rico's Futterkiste empfohlen.
Einen Flaschenwärmer kaufte ich auch noch, um das Futter auf der
richtigen Temperatur halten zu können. Der Züchter sagte,
ein heißes Wasserbad würde reichen, aber ich wollte ganz
sicher sein. Allerdings war die Temperatur im Flaschenwärmer für
die kleine Menge zu hoch, man konnte ihn dafür nicht verwenden.
Und ich kaufte Kümmeltee, der helfen sollte, wenn der Kropf sich
einmal nicht richtig entleert. Ein Thermometer benötigt man auch,
aber das ist ja in jedem Haushalt vorhanden. Letztendlich kaufte ich
noch Unmengen an Zewarollen, die ich als Unterlage benutzte, es ist
weich, leicht zu wechseln und man kann den Vogel gut sauberhalten.
Rico's Futterkiste
hatte mir angeboten, bei auftretenden Fragen Tag und Nacht anzurufen,
sie wären da gerne behilflich, was ich auch oftmals tagsüber
getan habe und was tatsächlich prima geklappt hat! Mein Tierarzt
hatte auch gesagt, er stünde jederzeit zur Verfügung. Trotzdem
war es doch ein etwas mulmiges Gefühl, da ich ahnte, dass es sicherlich
nicht ganz einfach sein würde, diesen kleinen Papageien aufzuziehen.
Aber dank der Bücher, vielen guten Tipps und vorhandener Ansprechpartner
rund-um-die-Uhr fühlte ich mich einigermaßen gewappnet. Ich
hatte auch für die nächsten zwei Monate keinerlei Termine
und meine gesamte Zeit für den kleinen Papageien eingeplant. Auch
der Rest meiner Familie war auf Ausnahmezustand programmiert und unterstützte
mich, damit ich alle Zeit für diesen kleinen Vogel aufwenden konnte.
Am
11. September war es dann soweit: Mein kleiner Papagei war 47 Tage alt
und ich fuhr los, gerüstet mit einem hohen Pappkarton, um den Kleinen
nach Hause zu holen. Er war inzwischen sehr mobil und hatte einen unglaublich
langen Hals. Das Füttern mit der Spritze hatte mir der Züchter
mehrmals gezeigt. Mit mir zusammen war eine junge Frau namens Bea dort,
die den jüngsten der Grauen abholte. Wir hatten uns zuvor schon
dort getroffen und unterhalten. Sie hatte einen 11 Jahre alten Timneh-Papagei
und suchte ebenfalls einen Vogel zur Vergesellschaftung. Sie hatte diesbezüglich
schon Versuche mit älteren Grauen unternommen, die jedoch alle
fehlgeschlagen waren. Bea hatte sich anderweitig überhaupt nicht
über die Handaufzucht von Papageien informiert und sich auch keine
Gedanken bezüglich der weiteren Versorgung des Grauen gemacht.
Sie verließ sich ganz auf die Angaben des Züchters und meinte,
sie würde das ganz so machen, wie er ihr das erklärt hat.
Zwei Wochen Urlaub hatte sie sich für die Aufzucht genommen und
wollte dann wieder arbeiten. Ich fand das sehr leichtsinnig und hätte
mich selbst ohne meine Zusatzinformationen viel zu unsicher für
eine Handaufzucht gefühlt. Die Auskünfte und Erklärungen
des Züchters bei den Besuchen hätten mir persönlich in
der kurzen Zeit alleine nicht ausgereicht, um so einen jungen Papageien
guten Gewissens mit nach Hause zu nehmen. Außerdem fand ich es
sehr beruhigend, zu Hause bei Bedarf immer nochmals nachlesen zu können.
Ich riet Bea mehrmals, sich auch Hipp-Gläschen und Papageienbrei
zuzulegen, hatte aber den Eindruck, sie nahm das nicht so ernst. Nochmals
wurde uns das Füttern mit der Spritze gezeigt und wir bekamen Wellensittich-Aufzuchtfutter
für die Kleinen. Das fand ich recht merkwürdig, weil ein Papagei
eben kein Wellensittich ist. Ich habe aber nicht weiter nachgefragt,
sondern dachte an meinen Papageienbrei. Das Futter würde ich eben
gleich umstellen. 3x täglich 30 ml sollten die Vögel bekommen,
sagte der Züchter. Er hat natürlich auch ausführlich
erklärt, das man auf den Kropf achten muss, nicht füttern,
bevor der Kropf ganz entleert ist und den Kropf keinesfalls überfüllen.
Einmal am Tag muss der Kropf komplett entleert sein, da die Vögel
sonst übersäuern. Das Futter braucht eine Temperatur zwischen
39-40 Grad, sonst verbrennt man den Kropf. Ich fand es übrigens
schwierig zu erkennen, ob der Kropf leer oder voll war.
Wir erledigten
den Papierkram, verglichen die Ringnummern, packten die Vögel ein
und es ging nach Hause. Mein kleiner Papagei, den ich Marita taufte,
reckte während der ganzen Fahrt seinen Schwanenhals und guckte
neugierig in die Welt, gut, dass der Karton so hoch war! Der Graue war
schon sehr niedlich. Da er beim Züchter noch gefüttert worden
war, stand die erste Fütterung am Abend an. Zu Hause angekommen,
wog ich den Kleinen und trug das Gewicht in mein Heft ein. Mein Vogel
wog 440 Gramm. Der Züchter sagte noch, die Vögel dürften
keinesfalls Zug bekommen und bräuchten noch viel Wärme, bis
das Federkleid vollständig entwickelt ist. Die Temperatur wird
um 1 Grad pro Woche gesenkt, ab den ersten kl. Federn sind noch 29 Grad
nötig. Wenn die Vögel zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen
ausgesetzt sind, ist das schädlich. Auch hier muss man also die
Raumtemperatur messen und ggf. mit einer Wärmelampe arbeiten. Da
es aber warm war, entfiel das.
Beim Züchter dauerte eine Fütterung nur wenige Minuten. Ich
hatte große Angst, den Kleinen nun ganz alleine füttern zu
müssen und dabei etwas falsch zu machen.
Ich
hatte auch gelesen, dass man mit dem Löffel füttern könne,
was mehr Schmutz macht, aber natürlicher ist. Das wollte ich bei
Gelegenheit auch probieren. Die ersten Fütterungen erfolgten aber
mit der Spritze. Eigentlich soll man für jede Fütterung eine
neue, sterile Spritze verwenden. Eine Kanüle kostet so um die 1,
60 Euro, das ist ganz schön teuer. Der Züchter hatte eine
Kanüle für jeden Vogel und diese dann immer wieder heiß
ausgewaschen. Ich habe aber festgestellt, dass die Spritzen sich durch
die Hitze sehr verziehen, dann kann man damit auch nicht mehr füttern.
Man benötigt zumindest jeden Tag eine, manchmal auch zwei neue
Kanülen, will man einigermaßen steril arbeiten. Und Sterilität
ist bei einem solch kleinen Vogel wirklich erforderlich. Zwei, höchstens
drei Fütterungen mit derselben Kanüle, wenn man sie mit kochendem
Wasser gründlich ausspült und die Kanüle das übersteht,
sind nach meiner Auffassung vertretbar und die Sterilität ist damit
weitgehend gegeben. Aufbewahren muss man die Spritze natürlich
auch so steril wie möglich, sonst bringt das ja alles nichts.
Ich stellte das Futter um, mischte aber vom Wellensittich-Aufzuchtfutter
jeweils einen Löffel zu. Jede Fütterung dauerte eine gute
Stunde, es war nicht so einfach, es durfte nicht zuviel auf einmal mit
der Spritze hineingedrückt werden. Der Vogel rüttelte und
schüttelte. Da ich mich bei 39 Grad aufhielt aus Angst, 40 Grad
könnten zu heiß sein, obwohl in den Büchern bis 41 Grad
empfohlen wurde, war das Futter schnell zu kühl und der Vogel nahm
es nicht mehr. Man musste es wieder erwärmen und warten, bis die
richtige Temperatur erreicht war. Bei 30 ml wollte der Kleine trotzdem
noch mehr, aber das ging natürlich nicht. Ich wollte ja den Kropf
nicht überfüllen. Das neue Futter schmeckte ihm und auch das
Füttern klappte ganz gut, ich hatte ja auch viel Zeit. Am 2. Tag
leerte sich der Kropf nicht richtig vor der 2. Fütterung. Ich erschrak,
erinnerte mich aber an den lauwarmen Kümmeltee und das funktionierte
auch. Der Kleine hatte eigentlich ständig Hunger und schrie wie
wild, wenn er die Futterspritze sah. Das machte mich ganz schön
nervös, weil es ja noch nicht so schnell ging wie beim Züchter.
Am 3. Tag wunderte ich mich. Nach der Fütterung war der Kleine
immer müde und machte ein Nickerchen, aber an diesem Tage fing
er nach dem Füttern an wie verrückt zu schreien, mit den Flügeln
zu schlagen und sich auf den Boden zu schmeißen. Ich überlegte,
was könnte ich falsch gemacht haben? War das Futter zu heiß?
Zu viel? Zu kalt? Zu fest? Ich rief sofort den Züchter an, was
nun zu tun sei, ich hätte keine Ahnung, wie sich denn so kleine
Vögel verhalten würden. Der meinte, ich solle ihn ein bisschen
streicheln, dann wäre es schon gut. Das tat ich auch und er beruhigte
sich. Trotzdem überlegte ich, was gewesen sein könnte, es
ließ mir einfach keine Ruhe. Und nach einer Stunde grübeln
dämmerte es mir: Der Vogel hatte schlicht und ergreifend Hunger!!!!
Er nahm zwar stetig zu, aber bekam offensichtlich nicht genügend
zu fressen. Ich befragte meinen Mann und erzählte ihm, in den Büchern
steht über die Futtermenge auch:
Tag 35 : alle 8 Stunden 20 - 40 ml, je nach Art
Tag 36 bis Ende: alle 8-12 Stunden,
so, wie es der Züchter auch gesagt hatte.
Aus dem Internet hatte ich auch eine nette Züchterin von der APN,
die mir all ihre Erfahrungen zur Verfügung stellte und mir auch
schnell und unkompliziert per Mail antwortete. Sie meinte, pro Mahlzeit
soll der Vogel ca. 10 % des Körpergewichtes aufnehmen, also ca.
45 -47 Gramm bei seinem Gewicht nach ihrer Rechnung.
Was ist denn nun richtig?
Mein Mann sagte dann, in den Büchern stünde es vielleicht
zu ungenau, da es ja keine genauen Mengenangaben nach Vogelart gebe,
und wenn er nach den 10 % ginge, dann wären aber 30 ml nicht gleich
45 Gramm, also 10 % des Gewichtes!
Ich war ganz aufgeregt und machte sofort eine Spritze fertig und wog
diese aus. Es war sogar extrem viel weniger als die 45 Gramm, die er
pro Mahlzeit bekommen sollte! Kein Wunder, dass der Vogel Hunger hatte.
Aber wenn er nur 3x täglich etwas bekommen sollte.......? Ich rief
bei Rico's an und dort meinte man auch, er bekäme zuwenig, ich
solle dann lieber 4-5 Mahlzeiten geben, damit keine zu große Menge
auf einmal gefüttert wird und das tat ich dann auch. An diesem
Abend bin ich bis 02.30 Uhr wach geblieben, damit ich den Kleinen nochmals
zwischenfüttern konnte. Dann habe ich Tag und Nacht alle 5, später
alle 6 Stunden gefüttert. Schon am nächsten Tag war es wie
immer, der Kleine war satt und schlief nach dem Essen zufrieden, was
mir bestätigte, er hatte einfach nur Hunger!
Das teilte ich dem Züchter auch mit, er reagierte darauf aber nicht,
was ich recht enttäuschend fand. Trotzdem ich das Problem doch
schnell erkannt und behoben hatte, machte ich mir lange große
Vorwürfe, weil ich etwas falsch gemacht hatte. Obwohl von da an
alles recht reibungslos verlief und sich die Fütterungsdauer nach
einer Woche durch die gewonnene Übung verkürzte, schlief ich
sehr wenig und fragte mich täglich stundenlang, ob ich wirklich
alles richtig gemacht hätte. Wie oft ich verschiedene Leute während
der gesamten Zeit angerufen habe wegen irgendwelcher Kleinigkeiten,
kann ich gar nicht zählen. Es war zwar überwiegend hausgemachter
Stress, aber ich habe mir wirklich ständig Sorgen gemacht und war
sehr verunsichert. Viele Fragen ergaben sich auch erst, als der Vogel
im Haus war, an die man vorher überhaupt nicht gedacht hatte. Eine
davon war, ob es normal ist, dass der Vogel seinen Kot frisst. Hunde,
das wusste ich, tun das nur, wenn sie eine Mangelerscheinung haben.
Also machte ich mir wieder große Sorgen. Darüber stand auch
nirgendwo etwas geschrieben. Aber bei kleinen Vögeln ist das völlig
normal und hört schnell wieder auf - nur Wissen muss man es! Der
Vogel wuchs und wuchs, man konnte fast zusehen dabei und ich war stolz,
dass der Vogel nun die ersten 10 Tage hier "überlebt"
hatte.
Mein Tierarzt sagte bei der ersten Untersuchung des kleinen Grauen,
als ich meine Verwunderung über das Wellensittich- Aufzuchtfutter
äußerte, dieses sei am Anfang gut geeignet, da es sehr leicht
verdaulich ist. Sicher aber nicht über die ersten 7 Wochen. Es
war richtig, das Futter gleich umzustellen. Und er verlangte gleich,
mein Heft zu sehen, wo Gewicht, Futtermengen und -zeiten aufgezeichnet
waren. Das hat er als selbstverständlich vorausgesetzt, wenn man
so einen kleinen Vogel selbst aufzieht. Mit dem Untersuchungsergebnis
war er sehr zufrieden, alles war völlig in Ordnung, wenngleich
er es nicht so gut fand, dass er so jung abgegeben worden war. So kleine
Papageien hätte er nirgendwo gesehen, ausgenommen bei den Züchtern,
deren Vögel er behandelt.
Nach
ungefähr einer Woche bekam ich einen Anruf von Bea, die den kleinsten
der Grauen genommen hatte. Sie fragte, wie ich zurechtkäme und
war erstaunlich entspannt. Bei ihr liefe alles bestens und die Aufzucht
gestalte sich ganz einfach. Ich fragte mich, warum ich so ein Nervenbündel
bin, wo bei ihr ganz entspannt auch alles so gut funktionierte. Wir
beschlossen, uns über unsere kleinen Grauen gegenseitig zu informieren
und Kontakt zu halten.
Nach einer weiteren Woche rief Bea erneut an und machte sich Sorgen,
weil der Vogel einfach nicht fressen wollte, schon den 2. Tag. Ich riet
ihr, sich sofort an einen Tierarzt zu wenden, aber sie dachte, der Vogel
hätte vielleicht eine "schlechte Phase" und wollte noch
einen Tag abwarten. Ich sagte ihr, Babys haben niemals eine "schlechte
Phase" und sie sollte lieber nicht abwarten, das könnte schon
recht spät sein. Papageienbabybrei hatte sie noch immer nicht,
sie fütterte nach wie vor das Wellensittich Aufzuchtfutter, 3x
30-35 ml. Wir verblieben, am nächsten Tag wieder miteinander zu
sprechen. Ich machte mir um diesen kleinen Vogel auch viele Gedanken.
Am späten Abend erreichte ich dann noch Rita von unserem Stammtisch
im Internet. Darauf hatte ich gehofft und berichtete ihr von diesem
kleinen Vogel und meinen Befürchtungen. Rita reagierte sofort,
setzte sich mit Bea in Verbindung und stand am nächsten Morgen
um 6 oder 7 Uhr mit Babybrei gerüstet vor deren Tür. Der kleine
Vogel war schon zu schwach zum Fressen. Rita und Bea sind dann zum Tierarzt
gefahren, wo festgestellt wurde, dass der Vogel am Verhungern war und
ziemlich am Ende. Bea hatte den Vogel nicht gewogen, so dass ihr ein
Gewichtsverlust nicht aufgefallen war. Der Vogel hatte ja immer seine
30-35 ml gefressen, wie der Züchter das empfohlen hatte. So dachte
sie, dass alles gut verläuft. Der kleine Graue blieb zwei Tage
beim Tierarzt. Dieser hatte Bea freigestellt zu entscheiden, ob sie
selbst versuchen wollte, den Vogel durchzubekommen oder diesen in ärztlicher
Obhut lassen wollte. Bea hat sich große Vorwürfe gemacht
und war mit den Nerven völlig am Ende. Sie hat sich nach bestem
Wissen um den kleinen Vogel gekümmert, sich auf die Angaben des
Züchters verlassen und sich daran gehalten. Man kann nun sagen,
sie hätte sich vorher gut informieren müssen, andererseits
hätte sie auch erwarten dürfen, dass die Informationen des
Züchters ausreichend sind. Sie hat sofort anderes Futter und eine
Waage besorgt und war froh, dass der kleine Graue überlebt hat.
Das Wellensittich-Aufzuchtfutter hatte damit übrigens nichts zu
tun. Wir hatten das zuerst vermutet. Ich hatte bei meinem kleinen Grauen
aber das Futter sofort umgestellt und dieser hatte ja am 3. Tag angezeigt,
wie hungrig er war. Hätte ich das nicht erkannt, wäre es mir
wohl genauso ergangen. Ursächlich waren nicht ausreichende Futtermengen.
Anfangs werden die Fütterungen reduziert, bei zunehmender Befiederung
muss aber wieder öfters gefüttert werden, da der Vogel die
nötige Futtermenge mit 3 Fütterungen nicht mehr aufnehmen
kann. Es lag also an fehlender Information und Unerfahrenheit in der
Handaufzucht. Bea und ich hatten dann ständigen Kontakt und ich
habe immer gestaunt, was sie alles für den Kleinen kocht und zurechtmacht,
ich glaube, besser und vielseitiger geht es nicht. Auf diesem Wege ist
übrigens Bea zu unserem Stammtisch gekommen.......
Bei meinem kleinen
Grauen konnte ich nach und nach Obst u.a. zufüttern. Dann kam die
Zeit, als der Vogel langsam alleine Körner fressen sollte. Tat
er aber nicht - das nächste Problem! Wie bringt man einen Vogel
dazu, Körner zu fressen? Der noch jüngere kleine Graue der
jungen Frau fraß zu diesem Zeitpunkt schon fast selbstständig.
Mein Grauer fand, die Futterspritze wäre die beste Erfindung aller
Zeiten. Ich sah mich noch Jahre später mit der Futterspritze den
Vogel füttern. Dann kam mir der Gedanke der Vogel wäre vielleicht
krank und könnte keine Körner knacken, aber irgendwann har
er es doch geschafft. Er war einfach nur bequem. Fliegen lernen musste
er auch und mit 15 Wochen konnte er dann in seinen großen Käfig
umziehen. Mittlerweile sind beide Jungvögel ein Jahr alt und gesund
und munter!
Nur, das "Marita" jetzt Moritz heißt, weil es auch ein
männliches Tier ist. Er scheint sich aber recht gut mit unserem
Großen zu verstehen, bis jetzt sieht gut aus, dass die beiden
Grauen Freunde werden könnten.
Mit der Anschaffung
des kleinen Grauen ist nichts von den negativen Befürchtungen eingetroffen.
Der Große beißt mich nach wie vor nicht und ist genauso
liebenswürdig wie vorher. Er hat auch nicht angefangen zu rupfen
und spricht immer noch. Der Kleine spricht nicht so viel wie der Große
und lernt es auch nicht so schnell, aber er übt fleißig.
Was er gelernt hat, hat er vom Großen gelernt, nicht von mir.
Beide scheinen aneinander interessiert und sich positiv gesonnen. Der
Große ist nicht mehr so extrem überanhänglich und die
artgleiche Gesellschaft bekommt ihm ganz hervorragend. Aufgelebt ist
er auch, er guckt sich jeden Schabernack ab, den der Kleine treibt und
frisst mittlerweile auch vielseitiger, so, wie es der Kleine tut. Mein
Großer hat allerdings den Kleinen wohl als Baby erkannt und war
sehr interessiert. Er hat ab dem 1. Tag immer den verkleideten Käfig,
aus dem es quietschte (sehen konnte er den Kleinen ja nicht durch die
Verkleidung) liebevoll mit leiser Stimme unterhalten. Ich habe ihm den
Kleinen auch immer nach dem Füttern gezeigt, weil ich dachte, das
wäre schon ein Anfang. Als der Kleine dann aber in den großen
Käfig umzog, war es, als hätte er ihn nie vorher gesehen,
wie ein völlig fremder Vogel. Ab da war das Verhalten auch ganz
anders, erst vorsichtig und misstrauisch und dann interessiert. Das
wäre mit einem schon futterfesten auch so gewesen, also kein tatsächlicher
Unterschied.
Verlauf der
eigenen Aufzucht:
Geb. 22.07.01
Bekommen Tag 47
Futter: Papageienbabybrei und Früchtebrei und Karottensaft und
Laktobazillen und Mineralpulver
Zusätzlich: Hirse, Kochfutter,
Kümmeltee, Zwieback, Melone, Weintraube, Apfel, Banane, Hirse,
geschälte Sonnenblumenkerne, später Keimfutter, Kartoffeln,
Karottensaft, Mango, Couscous, Möhre , Mango, usw.
Gewichtsverlauf / Fütterungshäufigkeit :
Tag
/ Gewicht / Fütterungen
/ Aufgenommene Breimenge ohne Zusatzfutter |
Tag
/ Gewicht / Fütterungen
/ Aufgenommene Breimenge ohne Zusatzfutter |
Tag
/ Gewicht / Fütterungen
/ Aufgenommene Breimenge ohne Zusatzfutter |
48 444
4 128g
49 448 4
130g+ Zusatzfutter
50 450 4
142+
51 454 3
146+
52 454 4
138g+
53 456 4
148g+
54 470 4
160g+
55 464 4
148g+
56 468 4
165g+
57 476 5
148g+
58 474 4
145g+
59 470 4 131g+
60 464 4
148g+
61 466 4
159g+
62 466 4
141g+
63 458 5 137g+
64 460 4 156g+
65 460 4
156g+
66 460 4
146g+
67 458 4
160g+
68 458 4
162g+ |
69 460
4 146g+
70 460 4
113g+
71 460 3
104g+
72 458 3 126g+
73 464 3
116g+
74 456 3
134g+
75 452 3
122g+
76 448 3
131g+
77 454 3
119g+
78 444 3
133g+
79 440 3
124g+
80 438 3
97g+
81 432 3
115g+
82 424 3
120g+
83 428 3
118g+
84 430 3 125g+
85 424 3
132g+
86 424 3
132g+
87 422 3
144g+
88 428 3
131g+
89 428 3
138g+ |
90 426
3 142g+
91 426 2
95g+
92 424 2
95g+
93 420 2
102g+
94 432 2
100g+
95 436 2
100g+
96 432 2
101g+
97 432 2
99g+
98 440 2
101g+
99 446 2
97g+
100 450 2
66g+
101 446 2
97g+
102 450 2
63g+
103 448 2
63g+
104 444 2
63g+
105 450 1 50g+
106 450 1
26g+
107 458 1
40g+
108 460 1
18g+
109 460 1
18g+
110 460 0
- |
Gewicht am 26.11.01
bei 474 Gramm
Wo liegen nach
meinen Erfahrungen nun tatsächlich die Vorteile, einen Papageien
selbst per Hand aufzuziehen?
Ganz ehrlich gesagt - ich weiß es nicht! Geht man von den Kosten
aus, gibt man das, was man am Anschaffungspreis "spart", für
Brei, Zusatzfutter, Kanülen, Zewa und anderes aus, die Extraausgaben
wie Digitalwaage, evtl. ein geeigneter Aufzuchtkäfig u.ä.
nicht eingerechnet. In meinem Fall ergibt sich eine "Ersparnis"
von ca. 60,- Euro. Vorausgesetzt, es geht alles gut. Der Vogel der jungen
Frau kam mit den Tierarztkosten weitaus teurer als ein schon futterfester!
Mittlerweile ist der Anschaffungspreis eines solch jungen Vogels übrigens
gleich mit dem eines Futterfesten. Somit ist dieser dann mit all den
Zusatzkosten weitaus teurer und dazu hat man das große Risiko
der Handaufzucht.
Das Argument, dass ein älterer Vogel sich mit einem solch Kleinen
schneller anfreundet, greift hier auch nicht, denn dieser Vogel ist
so klein, dass der Große gar nichts mit ihm anfangen kann, bevor
dieser nicht futterfest ist. Zahmer und anhänglicher ist ein solcher
Vogel in jedem Fall von Anfang an, sollte es ein einzeln gehaltener
Vogel sein, ist das aber nicht unbedingt positiv. Ein solcher Vogel
entwickelt schnell Verhaltensstörungen und ist evtl. zu sehr auf
den Menschen geprägt, was dann einen normalen Umgang mit anderen
Papageien erschweren kann. Und was anfangs noch unglaublich niedlich
ist, wird später vielleicht unglaublich lästig........Es brauchen
sich ja nur die Lebensumstände des Besitzers zu verändern
und schon passt ein solcher Vogel nicht mehr hinein, weil man plötzlich
nicht mehr soviel Zeit hat oder auch einfach einmal etwas alleine machen
möchte! Die große anfängliche Anhänglichkeit kann
sich im übrigen auch mit dem "Erwachsenwerden" des Vogels
schnell verändern. Mir sind inzwischen auch genügend Papageien
bekannt, die futterfest zum Besitzer gekommen sind und in ihrer Zahmheit
und Anhänglichkeit einem selbst aufgezogenem in nichts nachstehen!
Das liegt am richtigem Umgang und der richtigen Verständigung zwischen
Mensch und Papagei. Ich bin sicher, auch mein Großer hätte
sich anfangs anders verhalten, hätte ich manches anders gemacht!
Es gibt also,
realistisch gesehen, keine wirklich guten Gründe, einen Papagei
selbst per Hand aufzuziehen. Die Risiken, sich einen durch Mangelversorgung
lebenslang kranken Vogel heranzuziehen stehen in keinem Verhältnis
zu einer evtl. Kostenersparnis, wenn man die Lebenserwartung eines Papageien
bedenkt und die späteren Folgekosten durch tierärztliche Versorgung.
Der Vogel kann an Kropfverbrennungen, Magendilatation, Rachitis, diversen
anderen Mangelerscheinungen, sowie Pilz- und Bakterieninfektionen schnell
und schwerwiegend erkranken oder versterben- genau wie durch falsche
Fütterung, ungenügende Sterilität, fehlerhafte Luftfeuchtigkeit
und Temperatur sowie falsche Einstreu, um nur einiges aufzuzählen.
Das Risiko, dass der junge Papagei die Handaufzucht durch einen Laien
erst gar nicht überlebt, sollte nicht unterschätzt werden.
Darum habe ich hier auch das glücklicherweise gut ausgegangene
Beispiel der jungen Frau geschildert. Da der Anschaffungspreis sich
inzwischen gar nicht mehr unterscheidet, stehen Kostenaufwand, Zeit
und Stress in keinerlei Verhältnis. Ich würde jedem, der keinerlei
Erfahrungen mit der Handaufzucht hat, davon abraten, auch wenn in meinem
Fall alles positiv verlaufen ist und ich diesen Schritt persönlich
nicht bereue.
Letztendlich bekommt man von einem Züchter, alles zusammengerechnet,
einen gesunden Vogel, an dem man lange Zeit viel Freude hat ohne diesen
großen Aufwand.
Ich hoffe, dass
ich hier ein wenig davon vermitteln konnte, wie schwierig sich eine
solche Handaufzucht tatsächlich gestaltet.
Bina
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